Aus dem Israelnetz – Newsletter vom 16. Mai 2011
von U.Sahm – 15. Mai 2011
TEL AVIV (Israelnetz 15. Mai 2011) – Die schlimmsten Befürchtungen Israels wegen eines Protestmarsches von Arabern an fast allen seinen Grenzen aus Anlass des „Nakba“-Tages sind ausgerechnet mitten in Tel Aviv in Erfüllung gegangen. Ein Araber aus Kafr Kassem machte auf einer Strecke von zwei Kilometern eine Amokfahrt mit seinem Lastwagen. Es gab einen Toten und mindestens 17 Verletzte sowie Dutzende zertrümmerte Autos.
Der 22-Jährige behauptete nach seiner Verhaftung, dass ihm ein Reifen geplatzt sei und dass er die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren habe. Doch die Polizei und Augenzeugen berichten, dass der Mann offenbar gezielt versucht habe, Autos zu zermalmen und sogar auf die Fahrbahn des entgegenkommenden Verkehrs gewechselt sei, um einen Bus in einen Schulhof abzudrängen. Weil sich die Zerstörungen über eine zwei Kilometer lange Strecke im Tikwa-Viertel von Tel Aviv hinziehen, akzeptiert die Polizei nicht die Behauptung des Lastwagenfahrers, dass es sich um einen Unfall handelte, sondern spricht von einem möglichen Terroranschlag.
Das Todesopfer wurde als der 29-jährige Aviv Morag identifiziert. Er war auf dem Weg zu einem geschäftlichen Treffen. Kurz bevor der Lastwagen sein Fahrzeug erfasste, hatte er mit seinem Vater telefoniert. Morag arbeitete seit einiger Zeit für das Familienunternehmen, das Kühlschränke verkauft. Er hinterlässt seine Verlobte, seine Eltern und drei Schwestern.
Schon in der Nacht zum Sonntag hatte der Verteidigungsminister beschlossen, die Grenzübergänge zum Westjordanland kurzfristig für die Einreise von Palästinensern nach Israel zu sperren, während seit Freitag der Zugang von Moslems zum Gebet auf dem Tempelberg in Jerusalem für Männer über 45 und mit israelischem Ausweis beschränkt wurde.
„Katastrophe der israelischen Staatsgründung“
„Nakba“ ist das arabische Wort für eine „sehr schlimme Katastrophe“ und wird gelegentlich auch mit „Holocaust“ übersetzt. Gedacht wird der Gründung des Staates Israel am 15. Mai 1948. Die arabischen Staaten hatten dem jüdischen Staat damals den Krieg erklärt, während sie den Vorschlag der UNO von 1947 abgelehnt hatten, neben dem jüdischen einen arabischen Staat im damaligen britischen Mandatsgebiet Palästina zu errichten, weil das einer Anerkennung des jüdischen Staates gleichgekommen wäre.
In der Folge wurden laut UNO-Angaben rund 700.000 arabische Bewohner des Staatsgebietes Israels zu Flüchtlingen. Wie viele von ihnen tatsächlich geflohen sind, einem Aufruf der arabischen Armeen folgten, ein paar Tage lang ihre Häuser zu verlassen, bis alle Juden vertrieben worden seien, und wie viele von den Israelis verjagt worden sind, ist bis heute umstritten. Es gibt auch keinerlei Angaben über die Zahl der arabischen Todesopfer während dieser Zeit. Beispielhaft wird immer wieder nur ein vermeintliches Massaker jüdischer Untergrundorganisationen im Dorf Deir Jassin genannt, bei dem es angeblich 200 tote Araber gegeben habe. Da bei dieser Aktion aber auch Juden zu Tode kamen, könnten es Kampfhandlungen gewesen sein.
Während die jüdischen Israelis gemäß dem Hebräischen Kalender ihre Unabhängigkeit feiern, wird dieser Tag von den Palästinensern und den israelischen Arabern traditionell als Tag der Demonstrationen gegen Israel begangen. In diesem Jahr wurden im Libanon, in Ägypten und im Westjordanland Märsche zur israelischen Grenze angekündigt. Die ägyptische Polizei hat allerdings die Sinaihalbinsel für Nicht-Bewohner gesperrt, um einen Marsch von Tausenden in Richtung Gazastreifen zu verhindern.
Die israelische Armee hat das Grenzgebiet zum Libanon bei Avivim zum militärischen Sperrgebiet erklärt, nachdem auf der libanesischen Seite Palästinenser und die Hisbollah mit Flaggen und Plakaten mit der Aufschrift „Das Volk will heim nach Palästina“ einen Massenprotest mit Zehntausenden Teilnehmern vorbereitet hatten.
Im Westjordanland, in den palästinensischen Autonomiegebieten, wurden ebenfalls Massendemonstrationen erwartet. Doch die Organisatoren rechnen nicht mit Gewalt. Es gab umfassende Absprachen zwischen den israelischen und palästinensischen Sicherheitskräften. Um jeden Preis sollen gewalttätige Zusammenstöße vermieden werden. Die israelischen Grenzschützer und Soldaten erhielten die strikte Anweisung, ihre Waffen nur im äußersten Notfall und nur, wenn ihr eigenes Leben in Gefahr sei, einzusetzen.
In Jerusalem kam es am Wochenende jedoch schon zu gewalttätigen Zusammenstößen, Steinwürfen und einem erschossenen 17 Jahre alten Palästinenser. Nach Angaben der Familie sei der Junge von „Siedlern“ erschossen worden, was die Polizei jedoch bezweifelt. Da die Familie eine Untersuchung der Leiche verweigert hat, bleibt es bei widersprüchlichen Behauptungen der israelischen und palästinensischen Seite.
Von: U. Sahm