Eine Freundin rief mich gestern Abend an und erzählte mir über einen Artikel im „Zollern-Alb-Kurier“-Balingen. Herr Peter Frank, der den Presse-Bericht über eine sehr bemerkenswerte Veranstaltung geschrieben hat, gab mir sein Einverständnis für die Bereitstellung auf dieser Seite. Er mailte mir heute Nachmittag den Originaltext wie folgt. Dafür herzlichen Dank!
Foto: Peter Frank – von links nach rechts: Pfarrer Marek Perzynski, Pastor Rolf Held, Pfarrer Oskar Beuttler, Frau Ruth Reinhardt
Ökumenische FriedensDekade Meßstetten
Zu Erinnerung und Umkehr hatten sich in der Friedenskirche der Methodistengemeinde Meßstetten rund 60 Menschen eingefunden. Durch die Liturgie der ökumenischen Feier führte Frau Ruth Reinhardt. Am Beginn stand die Analyse der geschichtlichen und gesellschaftlichen Umstände des Holocausts. Pfarrer Marek Perzynski von der katholischen Kirchengemeinde erzählte beispielsweise von der Deportation polnischstämmiger Bürger, von denen 8000 im Niemandsland zwischen Deutschland und Polen strandeten. Es folgten weitere Schilderungen von Gräueltaten an den Menschen jüdischer Abstammung, von denen die meisten Deutsche und damit Mitbürger waren, und danach das offene Bekenntnis der Kirchen, sich an entscheidender Stelle nicht gegen die Judenverfolgung gestellt zu haben.
Christen in dieser dunkelsten Zeit deutscher Geschichte waren offensichtlich blind für die Tatsache, dass der christliche Gott auch jener der Juden ist, dass man gemeinsame Wurzeln hat. Das Naziregime konnte auf einen verbreiteten Judenhass bauen und nutzte diesen Umstand gewissenlos aus. Häufig diente der „Volkszorn“ als Begründung und Werkzeug, um den Juden übelst zuzusetzen. Sie wurden enteignet, ja regelrecht ausgeplündert und ihrer Menschenrechte beraubt. Und die Kirche sah zumindest in der Führungsebene tatenlos, teilweise sogar billigend zu. Einzelne Pfarrer, die das Unrecht erkannten und öffentlich anprangerten, handelten ohne den Rückhalt ihrer Kirchenleitung und bezahlten ihren Mut und ihre Aufrichtigkeit nicht selten mit dem Leben.
Pastor Held von der Evangelisch-Methodistischen Kirche empfahl den Anwesenden, die Gedenkstätte in Bisingen zu besuchen. Damit wurde klar, dass Juden auch in der nahen Umgebung verfolgt wurden. Viele evangelische Landeskirchen seien von nazitreuen „Deutschen Christen“ beherrscht worden. Und Held bekannte, dass auch die Methodischtische Kirche „…kein leuchtendes Beispiel des Widerstandes“ gewesen sei. Pfarrer Oskar Beuttler merkte an, dass auch der Reformator Martin Luther Mitschuld am Judenhass trug. Aus Enttäuschung darüber, dass Juden sich nicht der christlichen Heilsbotschaft öffnen wollten, hatte Luther eine Hetzschrift geschrieben, die den Nazis als eine der Begründungen ihrer abscheulichen Verbrechen diente. Erst einige Zeit nach dem Krieg rangen sich die Kirchen zum Eingeständnis ihrer falschen Haltung während der Nazizeit durch. Sie bekannten öffentlich ihre Schuld.
Heute ist die Haltung zum Judentum in fast allen christlichen Kirchen Europas neu definiert. Man ist sich bewusst, dass Gnade und Erwählung durch Gott sowohl für Christen als auch für das jüdische Volk unwiderruflich sind. Als ein Ausdruck der neuen Verbundenheit floss das Opfer des Gottesdienstes zur Hälfte nach Zedakah, einem Altenheim für Holocaust-Opfer in Israel.
Im Anschluss wurde der Film „Am Ende kommen die Touristen“ gezeigt. Er begleitete Sven, einen deutschen Zivildienstleistenden nach Auschwitz. Man sah, wie schwer es jungen Leuten fällt, das damals geschehene Unrecht heute noch zu begreifen und wie sehr es sie dennoch berührt, zumindest in der Umgebung dieses Vernichtungslagers. Gleichzeitig wurde ein alter Mann vorgestellt, der noch immer unter einem Trauma leidet. Doch langsam wird die nicht wirklich aufgearbeitete Vergangenheit von Touristen platt getreten.
-pf-
„Zollern-Alb-Kurier“ Balingen – 12.November 2008
Und gleich geht’s noch weiter – AhuvaIsrael